Hector: “Ich bin ein Van für eine Nacht!”

Nachdem mir ehemalige Projektkollegen als Abschiedsgeschenk ein Panoramabuch über die Kitzbüheler Alpen vermacht haben, bin ich um Anregungen für Ausflüge nur selten verlegen. Im August führte nun die Ankündigung des Brixentaler Bergleuchtens zu dem Plan: Mädels, wir fahren bergauf!

Hector platzt fast vor Stolz, als nach und nach 3 Grazien zusteigen und sich auf den Weg in die Haus-Alpen machen. Bewaffnet mit Vorräten und gekühlten Getränken sind wir bereit für den angesagten Ferien-Stau gen Süden, aber nichts da: Dieses Wochenende läuft vieles anders als geplant und der Stau findet grundsätzlich nur auf der Gegenfahrbahn statt, so dass wir bereits mittags bei 30° am Campingplatz Brixen ankommen.

2014_08_10a_TravelhectorEinmal mehr zeigt sich: Camping hat immer auch mit gelben Nummernschildern zu tun und so ist der Sprachkurs gleich inbegriffen. Die meisten Veranstaltungsschilder auf dem Campingplatz sind in holländisch verfasst, was jedoch keine Beeinträchtigung bei der Auswahl eines wunderbaren freien Wiesenplatzes darstellt. Hector frisst Alpenstrom und wir Mädels machen uns über die erste Runde Sekt und Häppchen her.

2014_08_10fTravelhectorDie 30° werden immer drückender und angesichts aufziehender Wolkenberge werfen wir uns schnell Handtücher über und schlendern 500m zum Freibad mit Natursee. So schnell die Flipflops uns tragen, stürmen wir zum schönsten Rasenfleckchen am See und haben Sekunden später schon den großen Zeh in’s Wasser gesteckt. Erfrischend, ganz ohne Zweifel! Zum Glück ist der See nicht nur angenehm frisch, sondern auch angenehm klein: Seequerung fast-forward und ab auf’s Badetuch für 5 gemütliche Minuten Sommerluft. Nach so viel Entspannung beherzigen wir den Ratschlag (vielmehr: die nachdrückliche Gewitterwarnung) des freundlichen Bademeisters und flipflopsen einen Umweg am örtlichen „Billa“ vorbei, getreu dem Motto: Wenn schon Unwetter, dann wenigstens feucht-fröhlich! Passend zur Bergwelt gibt es Gösser Radler und Südtiroler Rotwein und schon schlappen wir im Wettlauf gegen die Gewitterwolken zurück zum Bus.

2014_08_09eTravelhectorDas Timing ist perfekt, exakt 60 Sekunden nach Verstauen der Außenmöbel geht es auch schon los: ein Wolkenbruch wie aus dem Bilderbuch geht über das Tal nieder und wir freuen uns, dass wir weder einen Graben um das Zelt ziehen noch auf undichte Stellen aufpassen müssen. Hector stellt sich einfach stoisch in den Regen und duscht den Reisestaub ab, während wir drinnen den zweiten Gang auftischen.

Diverse Köstlichkeiten später werden wir für unsere Geduld belohnt. Das Brixentaler Bergleuchten mit seinen per Fackeln auf den Berghängen abgebildeten Vereinswappen, Mustern und sonstiger Kunst wurde zwar unwetterbedingt abgesagt, der bestellte Sonnenuntergang erfüllt dafür voll und ganz unsere Erwartungen. Drinnen beleuchten ein paar Kerzen die hereinbrechende Dämmerung und draußen färbt die untergehende Sonne die letzten Schleierwolken in Pastellfarben zwischen weiß-orange und rosarot.

Nachdem der Regen endgültig klein beigegeben hat, könnten wir eigentlich ins Dorfzentrum marschieren und die lokalen Wirtschaften, Kneipen und Gasthäuser durchtesten. Angesichts der mittlerweile zum Sofa verwandelten Sitzgruppe in unserem Bus fehlt dafür jedoch jede Notwendigkeit, so dass wir stattdessen bei Kerzenschein und Rotwein eine heimelige Pyjamaparty abhalten.

Die größte Herausforderung des Abends stellt sich bei der Schlaf-Frage: wer schläft wo und wenn ja wie viele?! Zuerst verbreitern wir das Loungesofa mithilfe des eingebauten Lattenrosts und schaffen damit die maximal mögliche Liegefläche des unteren Bettes: Laut Prospekt 1,85m lang, laut Zollstock echte 1,80m und diagonal ein wenig mehr, dafür jedoch nah an der Fluchttür und mit viel Luft und Sitzhöhe rundum. Als nächstes folgt das obere Bett: nach dem Entsichern beherzt am Griff ziehen und schon schwenkt der Lattenrost samt Matratze sanft herab. Leiter einhängen, hochkrabbeln und: Katrin liegt noch kaum oben, da will sie auch gar nicht mehr runter vom Schlaraffenland. Ich bemühe mich um gastgeberische Neutralität und bin selbst gespannt, wie wir mit dem Arrangement durch die Nacht kommen: Melanie kann sich unten quer, diagonal und dekorativ ausstrecken, während Katrin und ich uns die Höhenluft darüber teilen. Bei dem Auf- bzw. Abstieg zum/vom Hubbett und mit dem erhöhten Schwierigkeitsgrad, dass das halbe Bett bereits belegt ist, zeigt sich einmal mehr: regelmäßiges Yoga hilft enorm bei dem Versuch, sich in max. 40cm lichter Höhe sauber zusammenzufalten und um 270° zu drehen.

Camping = Flexibility!

Camping = Flexibility!

Am nächsten Morgen lacht die Sonne durch das Deckenfenster und zumindest das Hubbett hat sich tatsächlich als veritables Doppelbett bewährt. Entspannt wacht die obere Reihe auf, wohingegen Melanie eigentlich noch ein paar Optimierungsnächte dranhängen müsste, um die Polster der Sitzgruppe in die bestmögliche Schlaf-Anordnung zu sortieren. Die Unebenheiten der Liegefläche sind eben doch spürbar, aber sie nimmt’s gelassen und wird mit Tee und Bergsonne belohnt.

Nach dem gestrigen fast-forward Tag können wir es heute ruhig angehen lassen. Das Wetter bleibt stabil und so genießen wir mehrere Runden Kaffee, Tee und Frühstücks-Happen in der kräftigen Augustsonne. Trotz der umtriebigen Dauercamper rundum (habe ich die gelben Nummernschilder erwähnt??) ist das Rauschen des nahen Wildbaches noch das lauteste Geräusch. Es ist einfach idyllisch hier, wie in einem Werbe-Trailer! Der Blick auf die Hohe Salve und die umliegenden Kitzbüheler Alpen macht Lust auf weitere Ausflüge mit Wanderungen, Mountainbike, Sommerfesten und Lama-Reiten.

2014_08_10bTravelhectorAlles in allem begeistert der beste Hector der Welt einmal mehr: Die kürzeste verfügbare Ducato-Karosserie bewährt sich mit der einmaligen Raumaufteilung allein, zu zweit und nun auch zu dritt, und das bei gerade mal 5,60m Außenlänge. Wäre die vierte im Bunde auch noch mitgekommen, hätten wir die Bettzuteilung nach Körpergröße ausknobeln müssen, weil dann das untere Bett doch spürbare Längenbegrenzungen hat, aber für eine Nacht als Kurzausflug wäre auch das kein Problem. Mit stolzgeschwellter Brust verkündet Hector daher:

„Ich bin ein Van für eine Nacht!“

…mindestens, finde ich.