NL 2015 (4): Alles in einem

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Die Niederlande sind ein prima Reiseland für Bus- oder WoMo-Reisen. Ich glaube, ich wurde in 8 Reisetagen kein einziges mal angehupt, zumindest nicht außerhalb Deutschlands. Die Menschen sind freundlich und entspannt und das sollte man annehmen: ein wenig Geduld hilft unterwegs, wenn man mal länger warten muss. Campingplätze gibt es in Hülle und Fülle, allerdings sind diese entlang der Küste zur Hauptsaison auch mal ausgebucht. Wer nicht reservieren mag, kommt trotzdem immer unter, und sei es ein paar Kilometer vom Strand entfernt.

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Hector zwischen Meer und Binnenmeer (rechts)

Die Binnenmeere habe ich sträflich vernachlässigt, obwohl in der Gegend von Renesse die Campingplätze auf der inneren Deichseite deutlich einladender aussahen als die an der offenen Meerseite – was ich jedoch erst am nächsten Morgen gesehen habe. Literatur bildet und hilft, und zwar in folgenden Fällen:

  • niederlande
    von Barbara und Hans Otzen, erschienen bei Reise Know-How
    Angenehm zu lesen, viele gute Hinweise und trotz Taschenbuchformat erstaunlich vollständig, was meine ortskundige Holland-Freundin bestätigt hat. Auf Zierikzee wäre ich ohne dieses Buch nie gekommen und auch sonst macht es viel Lust auf Entdeckungen.
  • Niederlande
    von Reinhard Tiburzy, erschienen bei Dumont
    Text und Umfang der sehenswerten Empfehlungen / abgedeckten Orte fand ich nicht überzeugend, sehr gut war jedoch die herausnehmbare Gesamtkarte der Niederlande.
  • ADAC Campingführer Europa Nord
    Irgendein Nachschlagewerk dabei zu haben hilft, deshalb nehme ich ihn immer mit. In Sachen Bewertung sind wir unterschiedlicher Meinung: der ADAC findet parzellierte Stellplätze toll, ich nicht. Kinderfreundliche Planschbecken bringen Extrapunkte, mir sind eine lässige Athmosphäre und Naturnähe lieber als rechtwinklig angelegte Wege und Brötchenservice.
  • Internet, Mundpropaganda, Zufall:
    Die schönsten Campingplätze fand ich anhand ihrer Lage und ein wenig Internet-Recherche, beispielweise den teuren, aber überzeugenden Platz bei Zandvoort.
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Camping de Lakens, Zandvoort

Ich fahre noch mal hin, ganz bestimmt. Und dann sehe ich mir Haarlem an und den gesamten nördlichen Teil, also Nord-Holland, Texel, Flevoland, Friesland und was mir sonst noch so unter die Räder kommt. Dank der anti-alpinen Landschaft reicht das Klapprad für kleine und große Erkundungstouren locker aus, dank der Camping-Leidenschaft der Niederländer wird der nächste Stellplatz nie weit sein.

Wo war ich doch gleich?

  • Strandcamping Groede: http://www.strandcampinggroede.nl/
    Etwas abseits vom Ort, dafür direkt hinter dem Strand und trotz intensiver Rasenpflege recht entspannt. Pro Nacht habe ich 28,20 EUR bezahlt (Hector, ich und die Kurtaxe).
    Drumherum: Sowohl das Strandhaus „Puur“ ald auch die Kneipe hinter dem Deich sind Besuche wert, die Umgebung mit Leuchtturm, endlosen Deichwegen und Dünenlandschaft ebenfalls. Bilderbuch-Urlaub in Ausflugsweite (per Auto oder Bus) nach Brügge oder Gent.
  • Zierikzee: Winkelcafé (und Laden) „de zeeuwse hemel“ bietet eine sonnig-schattige Terrasse zum Melkmarkt und innen ebenfalls hübsches Ambiente. Lokale Snacks können sie richtig gut. Die Website ist spärlich, aber hier: http://www.dezeeuwsehemel.nl/
  • Camping Internazional Renesse: http://www.campingplatz-international.de/
    Freundlich, direkt hinter dem Deich, nicht weiter aufregend, äußerst akkurat gemäht. Bezahlt habe ich rund 30 oder 32 Euro, jedoch die Quittung verbummelt.
  • Vakantiepark Koningshof Rijnsburg: http://www.koningshofholland.com/nl/
    Zwischenübernachtung, mehr würde ich hier auch nicht empfehlen. Bezahlt habe ich 32,30 EUR pro Nacht.
  • Camping De Lakens, Zandvoort: https://www.campingdelakens.de/
    Gleichzeitig elitär/teuer und lässig. Die zerwürfelte Dünenlandschaft gefällt mir sehr, für die nicht ganz so dicht stehenden Waschhäuser verkürzt das Fahrrad die Wege. Bezahlt habe ich 46,- EUR pro Nacht, das gilt dann jedoch für 1 bis 6 Personen (nur Kurtaxe wird pro Person zusätzlich erhoben).
    Drumherum: Zandvoort selbst ist sicher kein Schmuckstück, aber der Strand mit seinen vielen verschiedenen Cafés / Bars / Restaurants / Clubs hat was. Für jeden Geschmack findet sich das Passende, an den Wochenenden ist in den Clubs ordentlich was los, weil viele aus Amsterdam oder Haarlem hier ausgehen. Das Naturschutzgebiet der Dünen ist von einigen Wegen durchzogen, die prima für Jogging- oder Wanderstrecken taugen.

Die Anreise von München bis Zandvoort, das ungefähr in der Mitte der Niederländischen Küste liegt, beträgt 850 km. Ist man erst mal dort, lassen sich im Umkreis von 250 km jede Menge Gegend, Inseln, Halbinseln, Städtchen und Strandabschnitte erkunden, wobei die landschaftliche Vielfalt nicht ganz mit Reiseländern wie Frankreich oder Italien mithalten kann. Die Entspannung schon.

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Städte, Windmühlen und das Landesinnere sind sicher auch schön. Sobald man sich von der Küste losreißen kann…

NL (3): Die mühsame Eroberung von Zandvoort

Strand. Ewiger, öder, endloser Strand. Schon klar, alle finden es großartig, aber mir fehlt hier in Renesse etwas, das den näheren Umkreis interessant macht. Endloser Horizont nutzt sich in seinem Erlebniswert irgendwie ab, und so brechen Hector und ich auf.

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Es ist Samstag, das Wetter heiß und phantastisch und je näher ich an Rotterdam und Amsterdam komme, umso abwechslungsreicher wird die Gegend. In Haarlem erklärt mir TomTom, dass die beste Verbindung mitten durch die Stadt geht, also gibt es auf Höhe des Ducato-Cockpits Sightseeing wie im Touri-Bus. Dummerweise muss ich nebenbei aufpassen, dass mir kein Fußgänger oder Radfahrer in die Quere kommt, gerade Radfahrer sind in Holland ja nicht so selten.

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Obwohl die holländischen Ferien erst eine Woche her sind, ist an diesem Samstag am Strand von Zandvoort kein Fitzelchen Stellplatz mehr zu kriegen: sämtliche Campingplätze ersticken in Menschenmassen.

Eigentlich könnten Hector und ich jetzt wildcampen. Oder schauen, ob es nicht Parkplatzbereiche gibt, auf denen man eine Nacht legal stehen darf. Aber erstens habe ich kein Wasser im Tank, was zwischen Bad und Küche die Alltagsdinge erschwert, und zweitens bin ich vor Hitze und Wind zu platt, um so weit zu denken. Also suche ich im ADAC Campingführer nach Alternativen und werde in 25 km Entfernung fündig: In Rijnsburg zeigt die Karte einen Campingplatz mit See, zudem hat der Platz ein Hallen- und ein Freibad. Bei Ankunft zeigt sich, dass der See ein pfützengroßer Bio-Tümpel ist und die Schwimmbäder kindertobende Planschbecken sind. Der Platz selbst ist bestenfalls unspektakulär, aber dank des regen Flugverkehrs von Shiphol fühlt es sich zivilisationsnah an.

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Die Enttäuschung lässt mich mit der Weinflasche liebäugeln, die seit Tagen im Bodenfach mitreist, aber dann überwiegt der Tatendrang: in nur 6 km Entfernung liegt der Strand von Nordwijk, das ist locker Klapprad-Entfernung!

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Also Rad auseinander falten, Navi mitnehmen und los: vorbei an einem typisch-holländischen Wasserkanal, vorbei an erstaunlichen Sozialbauten und der Menschenmenge folgend bin ich 30 Minuten später in Nordwijk und genieße Sommerhitze mit Meerbad.

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Nordwijk

Es gibt edlere Gegenden, möchte ich vermuten, aber ich fühle mich wohl hier und das Meer hat eine entspannende Wirkung auf mich. Besänftigt fahre ich zwei Stunden später zurück zum Campingplatz, ignoriere Hectors Küchenmöglichkeiten und genieße Pommes, Bier und WLAN am Camping-Kiosk.

Am nächsten Morgen freue ich mich, dass heute alle Wochenendgäste von Zandvoort abreisen und mein Navi mich durch eine schmale Alleenstraße zum bisher teuersten Campingplatz meines Lebens führt.

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46,- EUR pro Nacht kosten die Plätze in der zusammengewürfelten Dünenlandschaft, inklusive Surfer-Feeling und jeder Menge Wind. Sturm, um genau zu sein.

Am Strand werde ich rundum gründlich paniert, aber das macht nichts: erstens kann ich aus dem Augenwinkel einen lässigen Surfertypen beobachten, und zweitens ist das hier ehrliches Nordseewetter.

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Später schlendere ich zu der Reihe an Cafés, Restaurants und Clubs, die sich entlang der Dünen aufreihen. Manche sind hippie-chic, manche folkloristisch bunt und entspannt, manche machen einen auf edel und im schönsten davon, direkt neben dem Hauptzugang vom Riesenparkplatz, kann man herrlich windgeschützt sitzen, entspannen, essen, trinken, lesen und stundenlang aufs Meer schauen.

Am Abend tobt weiterhin so viel Sturm, dass der Bus wackelt und an draußen-Kochen nicht zu denken ist. Wie gut, dass es am Strand ein Asia-Sushi-Restaurant gibt, das zwar von außen hässlich und gewohnt teuer ist, aber dafür im Inneren mit gutem Service und hervorragendem Essen aufwartet.

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Den Rückweg schaffe ich gerade noch rechtzeitig vor dem Einsetzen stürmischer Regenschauer und werde kurz darauf vom windgebeutelten Hector in den Schlaf geschaukelt.

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…was vom Sommer übrig blieb

Am nächsten Tag hat der Wind nachgelassen und ich freue mich: durch die welligen Dünen kann man prima joggen gehen. Der Nationaalpark Zuid-Kennemerland ist eine willkommene Abwechslung nach der endlosen Strand-Einöde von Renesse.

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Zuid-Kennemerland

Das immergleiche Flachland scheint nur noch blasse Erinnerung und außerdem kommt heute Linda! Seit wir uns vor vier Jahren in Thailand begegnet sind treffen wir uns jedes Jahr, und diesmal ist ihre Heimat dran. Als sie am frühen Nachmittag vor mir steht, ist die Freude groß. Nur Frauen können sich vermutlich so unbändig darüber amüsieren, dass sie ohne Absprache im identischen Look auftreten: verwaschene Jeans, Trägertop unter weißem Shirt und lässige Lederband-Kette. Wir kommen uns vor wie das doppelte Lottchen und beglückwünschen uns gegenseitig zu unserem guten Geschmack.

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Die nächsten Stunden verbringen wir damit, den Strand entlang zu wandern und uns gegenseitig das letzte Jahr zu erzählen. Sobald ein Regenguss kommt, retten wir uns in eins der vielen Strandcafés und reden und essen und trinken und reden. So über-touristisch Zandvoort sein mag, so gut sind die unzähligen Restaurants und Cafés: sie bieten flächendeckend hervorragendes Essen und eine Vielfalt an stylishen Interiors, so dass wir die wilden Wetterwechsel zum Food-and-Drink-Hopping nutzen.

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Am nächsten Tag endet meine Holland-Reise – zumindest für dieses Jahr. Während der Sturm die Surfer vor sich her treibt, unternehmen wir einen letzten Strandspaziergang.

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Es ist Ende August und mitten in der Woche und vermutlich ist das die schönste Zeit hier: von Hippie-Flair bis schick, von asiatisch bis gutbürgerlich, von Dünen bis Meer bietet uns die Küste alles, was ein Holland-Urlaub bieten kann. Ich glaube, in einigen Jahren besorge ich mir ein Assimil-Sprachbuch und komme wieder!

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NL (2): Das schöne Zierikzee und die öden Strände von Renesse

Hector ist begeistert: heute wird er über das Wasser fahren und unter dem Meer durchtauchen. Nach dem Passieren von Terneuzen (Tunnel, 5,- Maut für 80 km weniger Umweg) und der Halbinsel Zeeland (Brücke, kostenfrei) erhebt sich der Blick auf offenes Meer zur Linken und Binnenmeer zur Rechten.

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In Zierikzee, dem heutigen Etappenziel, lässt die Beschilderung der Parkplätze auf größeren Touristenandrang schließen, aber in diesem Ort kommt keine Hektik auf, egal wie wuselig es zugehen mag. Hector passt problemlos auf einen der zentralen Parkplätze und steht nur ganz wenig vorn und hinten über – das ist uns 1,- EUR pro Stunde wert. Zielstrebig erobere ich einen Tisch im Hinterhof von einem halb-Shop-halb-Café/Restaurant, wo ich im Halbschatten zwischen rankenden Pflanzen und rustikalen Sitzgelegenheiten Platz nehme.

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Nachdem ich in fließendem holländisch ein Glas Munthtee bestelle, gebe ich mich einer entspannten, gleichwohl geduldigen Grundhaltung hin. Immerhin, nach 45 min. Wartezeit habe ich Speis und Trank und ein breites Lächeln im Gesicht: Die Krabbenkroketten mit Brot und Beilagen und die duftende Minze im Teeglas sind Genuss pur, so dass ich dem Versorgungszelt vom Camping Groede nur wenig hinterhertrauern muss.

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Ich verlasse die kulinarische Entdeckung durch den dazugehörigen Laden, widerstehe dem totalen Kaufrausch und trete auf der anderen Seite in eine der typischen schmalen Gassen. Überall gibt es kleine Läden und liebevolle Details zu entdecken und wenn ich den Blick weiter in die Höhe schweifen lasse werde ich neugierig auf den Turm eines Glockenspiels, eine Windmühle und weitere Bauten. Überhaupt, die Glockenspiele: angenehm fürs Ohr, liebliche Melodien und nicht zu aufdringlich – man sollte mal jemanden von Münchens Rathaus-Verantwortlichen herschicken, damit die Bayern von den Holländern a bissl was lernen täten.

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Wie üblich schlendere ich einfach drauf los, sauge die postkarten-kitschigen Sträßchen und Häuser in mich auf und stehe unvermittelt vor einem pseudo-klassizistischem Bau, der wie ein Ufo inmitten der übrigen Architektur thront und obendrein noch leicht schief ist. Es ist der neuere Teil der Kathedrale St. Lievenmonster, von der nur noch der mächtige Turm steht, während der übrige Teil 1832 abbrannte und mit der seltsamen Scheußlichkeit eines Säulentempels wieder aufgebaut wurde.

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Drumherum gibt es moderne Kunstinstallationen und Sitzgelegenheiten aus Euro-Paletten, allerdings springt der Funke nicht recht über. Die Website des Städtchens verspricht interessante Kultur-Events von Independent bis klassisch, aber mich zieht es stattdessen in die übrigen Straßen, an modernen Geschäften in alten Häusern vorbei und hin zu einem großen freien Platz. Einige Restaurants und Cafés bespielen die Seiten und einen Teil der mittleren Fläche, ein großer Teil jedoch ist frei. Oder wäre es, wenn nicht etliche gesponsorten Aufbauten eines Sport-Events den Blick verstellen würden.

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Weiter gen Osten geht der Platz in eine beschauliche Allee über, die auf beiden Seiten von herausgeputzten Kaufmannshäusern gesäumt ist. In einem der Gebäude befindet sich eine Buchhaltungsfirma. Idee für den Hinterkopf: Wenn ich einst in beschaulicher Umgebung schick arbeiten will, schicke ich meine Bewerbung hier hin.

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Inmitten der Häuser und Bäume zieht sich das Wasserbecken des alten Hafens, in dem einige kleinere Boote herumdümpeln. An den Kaimauern lässt sich der meterhohe Tidenhub ablesen, der regelmäßig die Boote höher und tiefer legt.

 

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Der alte Hafen endet mit 2 alten Toren und einer Hängebrücke, an der ich kehrtmache und wieder zurück zum lebhafteren Stadtteil schlendere. Ich passiere die Gasthuiskerk = eine ehemalige Kapelle des alten Elisabeth-Krankenhauses aus dem 14. Jahrhundert und bin kurz darauf wieder inmitten von Geschäften aller Art und Touristen aller Couleur (die Rothäute sind zumeist Briten).

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Endlich finde ich auch das Gebäude, auf dem das melodische Glockenspiel thront: es ist das Stadthuis, eine ehemalige Markthalle aus dem 14. Jahrhundert, und beherbergt heute das Stadtmuseum. Auch die Häuser gegenüber sehen pittoresk aus und später lese ich nach, dass es sich um die älstesten der ganzen Stadt handelt.

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Stadthuis

Nach einem Kaffeestopp entdecke ich auch noch die weithin sichtbare Windmühle, die man allerdings nicht betreten kann – zumindest sieht sie nicht touristisch erschlossen sondern vielmehr privat aus. Macht nichts, das Ambiente mit kleinen Giebelhäusern, Fahrrad und Windmühle ist so sehr „ganz Holland in einem Bild“, dass ich meine Energie lieber in wichtigere Dinge als schnöde Besichtigungen stecke.

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Eine gute Woche später werde ich eine Postkarte mit genau dem gleichen Motiv finden – fast schon unheimlich, aber auf eine gute Art und Weise.

Auf dem Rückweg zum Bus stoppe ich bei einem Metzger und lasse mir in lustigem Sprachgemisch die besten Steaks, Koteletts, Filets und sonstige Finessen für Grill oder Pfanne erklären. Angesichts der gesalzenen Restaurantpreise bin ich immer wieder erstaunt, wie billig dagegen der Kauf der Lebensmittel ausfällt. Ich nehme es hin und meine Tüte entgegen und freue mich, dass mein Bus-Kühlschrank inzwischen in jeder Lebenslage funktionstüchtig ist: mit Batteriestrom während der Fahrt, mit Gas im Niemandsland und mit Landstrom am Campingplatz.

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Heute ist der Weg nicht mehr weit, denn wo alle Touris hinrennen muss es schließlich am schönsten sein, und so fahre ich zum Strand von Renesse. Und weil es hier so toll sein soll, ist der erste Campingplatz auch prompt ausgebucht. Zum Glück gibt es nicht nur einen, sondern 3 oder 4 oder 5 und schon der nächste, der einladend genug aussieht, hat freie Plätze einerseits und nur 100m zum Strand andererseits.

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Gasthuiskerk Zierikzee

Nach dem pittoresken Städtchen Zierikzee wirkt der absurd breite Strand von Renesse leer und trostlos. Wobei leer nicht ganz stimmt: Touristen gibt es in ausreichender Menge, aber ansonsten gibt es nicht viel, woran das Auge sich weiden kann: beige-farbener Sand in 3 Himmelsrichtungen, umrahmt von sanft ansteigenden Deichen. In der 3. Richtung erstreckt sich Wasser bis zum Horizont und der Gesamteindruck ist: flach. Wie ein zweidimensionales Bild, das überwiegend in beige und blass-grauen Blautönen gehalten ist. So richtig will der Funke nicht überspringen, aber für eine Nacht zwischen netten Nachbarn und mit Aussicht auf die Steak-Luxusmahlzeit im sonnigen Gras geht das in Ordnung.

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Strand, endloser

Überhaupt, die Campingplätze der Niederlande: akkurat gemähte Rasenflächen, die täglich (!) gemäht werden. Alles ist in Reih und Glied unterteilt und schafft es selten, seinen spießbürgerlichen Charme abzuwerfen. Es gilt: je akkurater die rechtwinklige Rasenfläche, desto 80er die Waschräume. Aber selbst in der Hauptsaison kommt man immer irgendwo unter, denn Camping ist im Land der gelben Nummernschilder ein flächendeckendes Phänomen, mit allen Vorteilen.

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Am nächsten Morgen folge ich mit Campingstuhl und Kaffeebecher den Strahlen der Morgensonne und breche bald auf, um nördlich von Amsterdam die berühmten Strände von Zandvoort zu erobern. Das könnte richtig nett werden, mit Hippie-Tanz am Strand, Sandkörnern an Bierdosen und Erholung mit Flair. Könnte…

NL – August 2015 (1): Urlaubsauftakt

1Zwischen Hochsommer und Regenfront liegt der Urlaubsauftakt: der Vorabend meiner Abreise führt mich spontan zum Wörthsee im oberbayerischen Fünfseenland. Es ist unglaublich, wie viel der näheren Umgebung Münchens ich immer noch nicht richtig kenne, da kann ich noch viele Wochenenden Urlaub mit 45 min. Anreise machen, um mir alles anzueignen… Jetzt, im August, ist jedoch der Aufbruch weit nach Nordwesten geplant, zuvor aber ist ein Schlenker über Münchens Südwesten dran.

Nach dem ersten Sommergewitterguss liegt der unerwartet große See dampfend im Abendlicht. Als wir von einem der idyllischen Holzstege aus über die Gänse und das Wasser blicken, ist der Reiz unwiderstehlich: komm, wir springen rein! Der Zufall will, dass im Auto ein Handtuch liegt und die Gefahr von Klamottenklau ist angesichts vereinzelter Hunde-Spaziergänger gering, also rein ins grüne Nass. Das Wasser ist mild wie flüssiges Gold und nach Wochen des Hochsommers angenehm warm. Jenseits von Trubel, Kiosk und Sonnenhungrigen gehört uns das Wasser fast alleine, nur ein einsamer Schwan sschwimmt langsam zum seichten Ufer.

Am nächsten Tag bekommt auch Hector seine Thalassokur, der Reisetag steht ganz im Zeichen des Sommerregens. 10 Stunden Fahrt sind Zeit genug für philosophische Fragestellungen: Wie schaffen es die Autos mit den gelben Nummernschildern, trotz tiefenentspannter Fahrweise und Tempo 80 große Entfernungen zu überwinden? Ich werde wohl zum Herkunftsland reisen müssen, um der Sache auf den Grund zu gehen…

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Marktplatz Brügge

Nach einem Zwischenstopp in Neuss geht es schnurstracks nach Westen: zunächst führt die Fahrt nach Belgien, ein kurzer Münzwurf später entscheidet: Brügge statt Gent! Das Wetter kann sich nicht entscheiden, das ist für den hohen Norden (aus Münchner Perspektive) wahrscheinlich schon ein Erfolg. Mit Schirm, Charme und Kamera geht es also in die Altstadt von Brügge und ich bin positiv überrascht: der alte Stadtkern ist groß, größer als erwartet. Die Touristenmengen übrigens auch.

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Starte ich zunächst in einem entspannten Park, so stehe ich kurz darauf in den Gassen und sehe vor lauter Leuten kaum die hübschen Häuser. Zum Glück sind die sehenswerten Gebäude in der Überzahl, das ein oder andere erhascht der Blick dann doch… Ich lasse mich treiben, von niedrigen Häuserreihen zu imposanten Bauwerken, von denen es eine beeindruckende Anzahl auf engem Raum gibt.

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Spezialitäten der Region: hübsche Häuser und Bier

Belgien, genauer: Brügge strotzt nur so vor Spezialitäten: Bier in unzähligen Sorten und mit einem Museum, das bei genauerem Hinsehen ein Shop ist (Exit through the gift shop). Außerdem Waffeln in allen Variationen.

2015_08_18c3Muscheln natürlich. Und Nougat, Schokolade und Pralinen.

2015_08_18c1Vor allem aber: Belgische Frites mit Mayonnaise! Bei all dem angebotenen Touristennepp und überteuerten Restaurants ist die Wahl einer belebten Pommesbude vermutlich die beste. Für 2,95€ gibt es die mittlere Portionsgröße inkl. Sauce und mit etwas Glück einen Sitzplatz im wuseligen Gastraum. Doppelt frittiert werden die Goldstäbchen hierzulande, so dass man sich prima die Tschunge daran verbrennen kann…

Natürlich gibt es auch Hochkultur, Museen und Kirchen.

2015_08_18a5Nur wenige Stunden nach Ankunft ist mein natürlicher Orientierungssinn den gebogenen Straßen und Gässchen zum Opfer gefallen. Wie gut, dass ich geistesgegenwärtig das Navi in den Rucksack geworfen habe, so dass ich jetzt etwas lächerlich, aber doch sicher wieder zurück zum Bus finde. So viel Schlausinn wird belohnt mit dem Blick auf die erste Windmühle dieser Reise – fühlt sich fast schon nach Holland an!

2015_08_18d2Zwischen Brügge und meinem heutigen Ziel liegen nur wenige Kilometer und das übliche Navi-Bingo: TomTom und ich sind uns regelmäßig uneinig über die Güte (Breite, Traglast, Höhe) der ausgewählten Straßen, aber früher oder später kommen wir beide ans Ziel. Das ist in diesem Fall Strandcamping Groede, wo ein Bekannter gerade seinen 3-wöchigen Strandurlaub begonnen hat. Seit unserer letzten Begegnung sind 12 oder 15 Jahre vergangen und ich bin einigermaßen erleichtert, als er mir seine Stellplatznummer durchfunkt – wer weiß, ob ich ihn in freier Wildbahn wiedererkannt hätte? Vorher muss ich aber unbedingt noch was wichtiges erledigen: ab ans Meer!

2015_08_20d2Direkt am Meer hört der leichte Nieselregen auf und geht in Gischt über, der kalte Wind sorgt zudem dafür, dass sich das Meer an den Füßen regelrecht warm anfühlt. So viel Sommer ist fast zu viel des Guten, so dass ich mir ein Glas Rosé als Welkom-Drink im Strandhaus „Puur“ genehmige.2015_08_18e3

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Am späteren Nachmittag suche ich dann zwei Reihen neben Hector den Familienwohnwagen von Markus auf. Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen: er sieht genau so aus wie früher und das Willkommen ist herzlich. Und kulinarisch erfreulich: ob ich nicht mit zu Abend essen will…? Klar, warum nicht. Nach Stadtbesichtigung und Fahrt habe ich wenig Lust, selbst die Küche anzuwerfen, und so lande ich im wetterfesten Vorzelt und werde verwöhnt. Dorade vom Grill, Zucchinigemüse und goldene Kartoffeln, das ist deutlich mehr als meine Campingküche zu bieten gehabt hätte!

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Ein Foto VOR Verschlingen der köstlichen Dorade wäre beeindruckender gewesen. Aber so schnell ist eben keine Kamera

Es ist eben wichtig, sich auf einem fremden Campingplatz gleich richtig zu orientieren und das beste Versorgungszelt ausfindig zu machen.

2015_08_19a1Der nächste Tag bringt blauen Himmel mit jagenden Wölkchen und das Klapprad darf mit ans Meer. Auf dem Deich, der meerseitig in Dünenlandschaft übergeht, zieht sich über zig Kilometer ein Radweg entlang.

2015_08_19a2Am Strand selbst ist es zwar hochsaison-typisch wuselig, aber bei so viel Sand und Meer bleibt genug Raum für jeden. Außerdem gibt es jede Menge zu entdecken: schicke Designer-Häuschen direkt am Meer, weiße Strandzeug-Buden, Strandhäuser mit adäquater Bewirtung und: die Allianz-Arena.

2015_08_19b2Neben dem Radweg verläuft auf dem Deich ein Spazierweg aus Muschelkalk, der sich malerisch durch die Dünen zieht. Genau richtig für eine kleine Joggingrunde, schließlich habe ich jetzt Urlaub und somit Zeit!

Urlaub, Faulenzen und so

Urlaub, Faulenzen und so

Am Nachmittag merke ich dann, dass Urlaub auch ganz schön anstrengend ist, das muss wohl an der vielen Meeresluft liegen. So ein Bus-Sofa ist auch gar zu verlockend für ein kurzes Nickerchen, und so trete ich später ein wenig zerknautscht in das bewährte Versorgungszelt. Erneut werde ich umfänglich und wohlschmeckend bekocht und bin nach 1kg Garnelen gestärkt für den oranje-Party-Abend in der Strandbar hinter’m Deich. Fest in holländischer Hand mit belgischem Bier und lautstarker Musik wird hier regelmäßig gefeiert und es liegt wohl an meiner fehlenden Sprachkenntnis, dass ich manche Rituale nicht verstehe. Dessen ungeachtet findet sich zu später Stunde eine Ansammlung junger Männer auf dem Boden der Tanzfläche ein, die im Takt der Musik rudern. Einer trägt einen Helm, zwei tragen Tierkostüme, einer sieht normal aus und einer trägt einen Neoprenanzug. Echt, nächstes Mal mache ich vorher einen Kultur- und Sprachkurs!

2015_08_20a1Der nächste Morgen ist geprägt vom Konjunktiv: DAS wäre gestern eine gute Idee gewesen… Ich weiß noch, dass gegen 2:00 Uhr ein fantastischer Sternenhimmel zu sehen war, und dann war es auch schon halb zehn und das Aufstehen ging irgendwie zäh vonstatten. Das Wetter passt sich an und hält sich mit allzu heißer Sonne zurück, aber für einen Ausflug zum Leuchtturm und nach Breskens ist das gerade recht.

2015_08_20b1Breskens selbst ist unaufgeregt, aber praktisch: unter anderem gibt es einen großen Camping-Zubehör-Shop und ich finde prompt Ersatz für die abgefallene Steckdosenklappe an Hectors Außenwand. Fehlt nur noch jemand, der sie austauscht…

2015_08_20c1Bei den Wohnhäusern fällt auf, dass es offenbar strikte Regeln für die richtige Wohnungsdeko gibt: in jedes Fenstergehört eine Lampe (oder eine Blume), und zwar symmetrisch!

2015_08_20c2Die Küste zieht sich endlos in beide Richtungen, genau so stelle ich mir Urlaub an der Nordsee vor. Auch das Restaurant vom Strandhaus Puur sieht mit seinen Glasfronten einladend aus, aber gegen das Vorzelt von Markus, Thomas & Co. hat es keine Chance. Hector und ich werden langsam immer schwergewichtiger: er von den vielen Sandkörnern, die sich langsam im Inneren ansammeln, und ich von dem kg Garnelen, den Koteletts, den Pommes und den übrigen Köstlichkeiten.

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