Es ist Januar, es schneit und Kälte lässt die Zähne klappern.
Normale Menschen fahren über die Feiertage im Dezember in Skiurlaub. Bereits 11,5 Monate zuvor haben sie dafür eine teure Ferienwohnung reserviert und das kleine Plus an Familienfrieden im Anreisestau wurde über high-tech Entertainment-Lösungen für die Rückbank erkauft.
Wir machen das anders. Auch wenn Hector der ultimative Flexibel-Urlaub-Vermöglichmacher ist, lassen wir bei -17 °C das Wintercamping bleiben. Stattdessen haben die schlaue Schwester und ich ein Zimmer am Berg. Genauer: auf dem Berg => auf der Alm. Der Kreuzalm, um genau zu sein. Und eigentlich haben wir damit unser eigenes Berghotel gemietet, aber davon ahnen wir bei der Anreise noch nichts.

Kreuzalm Garmisch
Nur kurz hält uns der Verkehr in der Stadt auf (Wo wollen die alle hin? Ach ja, zur Arbeit…) und dann gleiten wir über die Schneedecke der A95 in Richtung Berge. Gepäck in die Gondel, Rollkoffer über die Piste ziehen und schon sind wir da! Tatsächlich gibt es einen komfortablen Gepäckservice, der die Rollkoffer-Pisten-Szene unterbindet, aber das Handgepäck haben wir trotzdem mal eben an der Kreuzalm abgestellt. Schließlich liegt unser Quartier mitten im Skigebiet und fügt sich nahtlos in unseren Pistentag ein.

Koffer? Welcher Koffer??
Das Wetter haben wir passend dazu bestellt: Erst kommt der Schnee, dann kommen wir. Und haben federleichten Pulverschnee und Sonne. Ich kann nicht anders und durchpflüge Tiefschnee-Fluff, wo ich ihn nur finde. Gegen die wahren Cracks mit doppelt gebogenen Offpist-Brettern wirke ich vermutlich wie eine Vorstadt-Blondine, aber das liegt weniger an mir als an dem extrem sportlichen Niveau der hiesigen Skifahrer.
Abends genießen wir unser Alpenzimmer und mehrfach am Tag füllen wir verbrauchte und unverbrauchte Kalorien mit deftigem Hüttenessen wieder auf. Als Gute-Nacht-Gruß kommt gelegentlich eine einsame Pistenraupe vorbei, der wir verschlafen zuwinken.

Morgendlicher Blick aus dem Fenster
Die Kreuzalm hat 4 wunderschöne Doppelzimmer, und doch sind wir in dieser Januarwoche die einzigen Gäste. Um nicht zu sagen: wir haben unser eigenes Alpenhotel! Damit wir nicht völlig vereinsamen, stürmen dienstags und donnerstags unzählige Sportler zum Tourenabend in die Gaststube und sorgen für angeregte Unterhaltung. Mit etwas Glück gehen die jungen Sportler zum Umziehen nicht extra in die Waschräume…

Wenn der Mond über Alpspitze steht, ist Tagträumen erlaubt
Größter Unruhefaktor ist die Landschaft: ständig ändert sich das Licht, die Perspektive, die Gegend. Wir wachen auf und bewundern das Farbspiel des Sonnenaufgangs, wir fahren los auf gähnend leeren Pisten, wir kommen am Lift an wenn er gerade startet.
Unsere liebste Ski-Zeit ist neuerdings kurz nach 8 Uhr früh, wenn die Dämmerung noch zwischen den Bäumen hängt und wir das Skigebiet für uns haben.
Unser dauerhafter Begleiter ist der Blick auf die Alpspitze, und so ist es nur logisch, dass wir uns dort etwas umsehen. Die Alpspix Plattform ragt weit über die Felswand hinaus ins Nichts und schwankt etwas im Wind. Da wir beide schwindelfrei sind (gute Gene), genießen wir den Ausblick völlig unbeeindruckt.

Alpspix
Das Garmischer Skigebiet bietet traumhaft lange Abfahrten. Auch wenn die Schwierigkeitsgerade (schwarz oder rot) gewürfelt erscheinen, ist der Anspruch insgesamt hoch und die Hänge sind abwechslungsreich. 4 Tage sind für das Garmisch Classic Gebiet gerade richtig, um sich ordentlich auszutoben und nur gelegentlich die Anfänger-Bundis in ihren Tarnanzügen etwas zu necken.
Zwischen den sportlichen Abfahrten ruhen wir die Beine aus und lassen den Kopf rauchen: das Reisescrabble ergänzt vortrefflich unseren Lieblingsplatz am Kachelofen. Einige Partien waren literarisch wertvoll, aber da wir vergessen haben Fotos davon zu machen, muss der Zauber wohl im Flüchtigen der Worte liegen.
Nach 4 Skitagen schicken wir unser Gepäck vor und kommen am Nachmittag ebenfalls im Tal an. Das Auto hat sich hübsch gemacht mit zentimeterlangen Eiskristallen, die wie eine Irokesenfrisur rundherum abstehen.

Hat schon jemand das rote Auto gefunden?
Wir bleiben noch mehrere Tage lang berauscht von so viel Winterzauber. Die Kreuzalm werde ich sicher noch häufiger aufsuchen – ob für winterliche Skitage oder im Sommer als Zwischenstopp größerer Wanderungen. Wann immer ich in der Nähe von Höllentalklamm, Kreuzeck, Alpspitze und Hausberg unterwegs bin, werde ich um einen Einkehrschwung nicht herum kommen. Allein schon wegen des Kaiserschmarrn…