Alle verfügbaren Wetter-Apps sind sich einig: Montag ab 7:00 Regen. Um Punkt 7:00 setzt Dauerregen ein und ich frage mich: wenn die sich so gut auskennen, ist das nicht verdächtig – gibt es ein Kartell der Wetterfrösche, die das Wetter kontrollieren??
Für uns heißt es: startklar und gen Süden! Der Weg führt vorbei an Châteaubriant und auch wenn mir erst Wochen nach dem Urlaub einfallen wird, warum mir der Name bekannt vorkommt, entschließen wir uns zu einen Zwischenstopp. Nach Besichtigung der Innenstadt (mittelalterliche Abschnitte und sterbende Geschäfte), der mächtigen Kirche und der Schloss-/Burganlage meldet sich der Hunger. Das weniger-abschreckende der beiden Bistrots des Ortes ist genau richtig, um ein richtig gutes Restaurant empfohlen zu bekommen: am Rande der Innenstadt in die Ausfallstraße einbiegen, eine Treppe hoch und im Hinterzimmer erwartet uns ein gemütlich-schlichtes Ambiente mit umwerfend gutem Essen. Schon bei den Vorspeisen sind wir hin und weg, die nächsten Gänge und auch Cidre und Kaffee halten das Niveau und als wir zum Schluss 13,- EUR je Person zahlen, ist es uns fast peinlich. Rindfleisch nach Art von Châteaubriant war zwar nicht dabei, aber die Tagesgerichte von „Le Relais d’Eugénie“ sollte man sich auf gar keinen Fall entgehen lassen, wenn man auch nur in der Nähe des Ortes ist!
Das nächste Etappenziel ist Nantes: Während Christine sich aufmacht, die Stadt und die vielbesungene Loire-Brücke zu erkunden, fahren Hector und ich den Regenwolken davon und halten erst 60km südlich von La Rochelle an. Vermutlich liegt es daran, dass hier zusätzlich zum weiten Atlantik auch die Gironde mit 6km Breite vor der Tür der Anwohner liegt, jedenfalls braucht hier keiner extra-Regen oder wenn, dann nur nach 23:00 Uhr.
Zuerst halte ich in St. Palais sur Mer, finde jedoch alle vier nebeneinander aufgereihten Campingplätze zwischen Küstenstraße, See-Promenade und Souvenirständen doof. Also noch ein paar Meter weiter fahren, vorbei an Royan und in St. Georges de Didonne ankommen. Hier finde ich meine Variante eines guten Campingplatzes: Ruhige Lage, aber in fußläufiger Entfernung zum beschaulichen Ortskern. Direkt hinter der Düne und trotz fehlender Meer-Sicht in Hörweite der rauschenden Brandung. Es dauert nur 15 Minuten bis Hector sich französischen Atomstrom einverleibt und ich mit einem Glas Cidre im sonnenwarmen Sand sitze und auf’s graublaue Meer blicke.
Erst am Abend stellt sich heraus, dass die ruhige Lage zwischen 21:00 und 23:00 nicht gilt: die Camping-Animations-Open-Air-Disco beschallt weit mehr als nur das benachbarte Restaurant und so gibt es fortan jeden Abend 80er-Jahre-Best-of-Popmusik (oder was sie hier dafür halten) satt.
Das ist als einzige kleine Einschränkung verschmerzbar, denn ansonsten halten die nächsten 7 Tage genau das, was ich mir davon versprochen habe: Nach dem ersten Kaffee 20 Minuten Schwimmtraining im ausreichend großen Pool. Frühstück, Tee am Strand und gelegentlich 1,5km über den endlosen Strand (am schönsten: bei Ebbe) nach St. Goerges „downtown“ schlendern. Lecker essen oder gute Zutaten einkaufen (und später am Bus lecker essen). Am Nachmittag, wenn die Flut herein kommt, in den Wellen toben. Viel lesen, viel schlafen, viel auf’s Meer schauen.
An einem der Tage taucht im Pool neben mir eine Schwimmerin auf, die mit ihren > 70 Jahren locker mein Tempo mithält und zusätzlich 1-2 km mehr schwimmt. Ich lerne Ida kennen, ehrbare britische Dame und pensionierte Lehrerin, die mit 60 Jahren Open-Water-Swimming für sich entdeckt hat und nur bei allzu hohen Wellen ihr Training in den Pool verlegt. Ich bin beeindruckt, lerne später auch noch ihren Mann Tony kennen und verbringe zwei vergnügliche Abende mit den beiden. Reiselustige Zeltcamper sind immer für unterhaltsame Urlaubsgeschichten gut und so geht uns der Gesprächsstoff nicht aus.
Ein anderer Tag beweist, dass man auch mit dem billigsten aller Klappräder eine ernsthafte Fahrradtour unternehmen kann: in nördlicher Richtung kann man prima die Küste entlang radeln, hinter Royan und St. Palais sogar in einem unbebauten Pinienwald mit endlosen Strandkilometern und viel, viel Platz und Weitblick. Als ich 35 km später wieder zurückkomme, habe ich einen ordentlichen Muskelkater und schiebe ihn auf gelegentlichen Gegenwind.
In südlicher Richtung verlässt die Küste den Atlantik und führt statt dessen entlang der Gironde ins Landesinnere. Davon merkt man entlang der wechselnden Abschnitte von Steilküste, Mischwäldern und Sandbuchten allerdings nichts, da müsste man schon einige Kilometer weiter fahren. Die Wanderwege in diesem Bereich sind typisch französisch, also schlecht beschildert und streckenweise von Wald und Gestrüpp zugewuchert. Die einsamen Buchten mit ihren Stelzenhäuschen und Sandstränden sind die Mühe jedoch wert, von den tollen Fotomotiven ganz zu schweigen!
Insgesamt bleibe ich für meine Verhältnisse ungewohnt lange an einem Fleck, nämlich volle 7 Nächte an ein und demselben Camping am Meer. Offenbar habe ich ein wenig Ruhe und Nichtstun gebraucht, sonst hätte ich sicherlich mehr unternommen. Für dieses Jahr aber genieße ich den faulen Spätsommer und nehme mir vor, in einem der nächsten Jahre mindestens 4 Wochen am Stück wegzufahren und dann die Westküste von der Normandie über die Bretagne, mit Ausflügen zu den Kanalinseln und dann immer weiter nach Süden bis Spanien abzufahren. Ja, Hector und ich haben noch viel vor…