
Für entspannte Wandertage gilt: G’scheite Bergtouren gibt es auch im niedrigen Bereich. Also unter 3.000m Höhe. Heute werden uns bescheidene 2.962m reichen, um mitten in den Wolken weit über den Dingen zu stehen.
When combining relaxed hiking with serious mountain tours, you may as well be fine in lower regions. Hence, we agree to stay below 3.000m when heading for the Top of Germany (2.962m).

Als erstes hat Hector seinen großen Auftritt, wer braucht schon Luxus wenn er campen kann! Nachdem am Vorabend alle Gipfel hinter dicken Wolken verborgen waren, lässt am Aufstiegstag die Sonne unser Ziel erstrahlen.
Before the hiking dream team gets into motion, Hector is star of the scene. Camping is beyond luxury when stumbling out of bed and first thing you see is the Zugspitz summit, rosé-golden in the early morning sun.

Zweiter Baustein ist die beste aller Touren, die Jack aufgetan hat: Wir kürzen ein Quäntchen Höhenmeter ab und nutzen die Zahnradbahn bis Ausstieg Riffelriss. Anstatt links hoch zur Riffelspitze (auch sehr empfehlenswert) gehen wir rechts bergab, geradewegs rüber nach Österreich.
Next splendid part of the team is Jack, digging out a rare variation of the regular Zugspitz-hikes. Smart detail of it is the starting point Riffelriss, saving us a minimum of 200m altitude difference and, even better, rewarding us with charming paths and peaceful loneliness.

Während der ersten Stunde sind wir komplett allein. Und was für eine schöne Strecke wir haben! Schmale Pfade durch lichten Wald, Geröllfelder und schmale Steige, die sich an die steilen Bergflanken schmiegen. Höhenängstliche gehen manche Passagen womöglich mit weniger Vergnügen, und doch ist der Weg ganz wunderbar.
The track leads through light forests, contains views towards Eibsee, passes gravel fields and clings tight to the steep, rocky flanks. It might be too much of the sheer mountain massif for people with vertigo difficulties, for all others it is splendid.




Als wir quer durch den Seilbahnträger der Tiroler Zugspitzbahn gehen, beginne ich zu zweifeln: Sollten wir nicht langsam die Wiener Neustädter Hütte erreichen? Es ist mehr als zwei Stunden her, dass wir am Riffelriss gestartet sind, und ich mache mir natürlich Sorgen: Wann bekomme ich größeren Hunger? Wird dann eine Hütte in der Nähe sein? Und erreichen wir die letzte Gondel für den Rückweg?


Heimlich bin ich natürlich auf alles vorbereitet: Mehr Wasser + Brotzeiten, als ich den Tag über brauchen werde. Dazu der Klettergurt und ein Sicherungshaken am kurzen Seil, falls es doch kritischer wird als gedacht. Regensachen, 2 Merino-Schichten und 2 Rettungsdecken. Das verrate ich meinem Wanderbuddy natürlich nicht, ich will ja nicht als Bedenkenträger gelten.
Jack genießet derweil tiefenentspannt den Ausblick auf die Seilbahn und dreht gelegentlich ein Video, er hat alle Zeit der Welt. Gut, dass sich unsere Eigenschaften vortrefflich ergänzen.

When passing through the pillar of the Tiroler Zugspitzbahn, I wonder: will we ever reach the Wiener Neustädter Hütte, let alone the summit? What about when I get hungry along the way, what about timing, weather and catching the gondola for the descent??

Secretely, I am all but prepared. My backpack hides the light components of the via ferrata harness, pounds of bread and cheese, 3 liters of water and 2 space blankets. Just in case…
Jack, meanwhile, is totally relaxed. He takes a picture here and a video there, not worried about fitness or duration or anything. Good to know that we are contrasting in the very best way.

Kurz darauf macht der Weg eine 270°-Kehre um den Felsvorsprung und da sind wir: an der W.N. = der Wiener Neustädter Hütte. Urig von außen, bier-fahnig nah am Wirt und olfaktorisch grenzwertig am Plumpsklo. Mit Würstchen-Suppe und Kaffee in der Sonne ist es der perfekte Zwischenstop – zumal wir nur 2,5h bis hierher gebraucht haben. Bei allem Herumschlendern liegen wir genau im Wunsch-Zeitfenster.
Minutes later, the path takes a 270° turn and the Wiener Neustädter Hütte pops out of the massif. With a light meal for lunch and a cup of coffee, I am good to go and outpace all others.

Kaum ist der Kaffee alle, schon werde ich unruhig. Ich will los und zwar sofort, bevor alle anderen in den Stöpselzieher einsteigen. Wer will schon sympathische, aber langsamere Menschen vor sich im Klettersteig haben?!
Wir packen zusammen und queren das Schuttfeld, dass einst ein 365-Tage-Schneefeld war. Im September 2022 ist von Altschnee keine Spur, und 15 Minuten später starten wir behelmt in den Korkenzieher-ähnlichen Steig.

A helmet is the minimum equipment for the via ferrata “Stopselzieher”. The mainly vertical passages of the next 600m altitude difference are not incredibly difficult, but when falling pebbles meet gravitation, you may be glad not to interfere with a blank head.


Der Durchstieg im ersten Teil der angelegten Route ist nicht schwierig, aber lustig und irgendwie besonders. Anschließend geht es vor allem bergauf, es folgt Eisentritt nach Eisentritt. Zum Glück sind die Jungen Wilden vor mir gut drauf und lassen mich vorbei. Seit Tagen schon bin ich nervös und hoffe inständig, dass ich den Aufstieg bis zum Gipfel schaffe, und das gelingt am ehesten im eigenen Berg-Rhythmus. Kann ja keiner ahnen, dass ich heute den Wandertag meines Lebens habe.

Everyone around us is as impressed as we are. The climb is fun, the sun shines down on us, and our lunch location seems pretty small down there. I realize once more that in climbing situations, I have more lust and energy. I barely remark the effort on my way up (for the time being, that is).

Über die Frage, warum manche Passagen gesichert sind und andere nicht, haben schon unzählige Bergsteiger philosophiert. Wer sich in Klettersteigen nicht grundsätzlich wohl fühlt, wird im Stöpselzieher mit oder ohne Klettersteigset nicht glücklich werden.


The range of secured and free passages lacks any kind of logic. Basically, you should be at ease with via ferrata tours, then it does not really matter if you use the snap hooks or continue free style.


Die Entfernungen (Rückblick Hütte, Ausblick Gipfel) sind wie eingefroren, aber die Perspektive in der Horizontalen verschiebt sich enorm. Weit unten liegt die Wiener Neustädter, während die abgebrannte Station der alten Ehrwalder Seilbahn oberhalb unserer Köpfe erscheint und in greifbare Nähe rückt. Das Klettern hat nun leider ein Ende, stattdessen kündigt die gelbliche Färbung von rutschigem Untergrund.
The mixture of outlook and nature, climbing and hiking, mountain massif and ambitious hikers is fantastic. When meeting others, everybody chats about how lucky we are, having such a splendid day for this wonderful tour. It keeps the motivation up even in the upper range, where slippery gravel throws you back every now and then.

Abgesehen vom ewigen Kampf “Schutt vs. Gravitation” ist der Weg nicht schwierig. Allerdings haben wir jetzt schon 600 Hm Klettersteig und einiges an Zustieg hinter uns. Zum Glück ist das Wetter auf unserer Seite, also kein Grund zur Hetze.
Apart of the loose ground, the way is not seriously difficult. Still, we must have done around 1.000 – 1.200 m altitude difference by now, and my legs start to tell me about it.

Am Zugspitzgrat angekommen fällt der Blick auf das klägliche Überbleibsel des ehemaligen Schneeferner Gletschers. Ich frage mich, ob es im kommenden Jahr überhaupt noch Reste davon geben wird, der Klimawandel ist hier zum Greifen nah. Nach unserer Wanderung lese ich, dass der Südliche Schneeferner inzwischen nicht mehr als Gletscher gilt, was auf dem Bild unten erschreckend nachvollziehbar ist.
Eventually, I make it to the Zugspitzgrat. Looking down on the formerly huge Schneeferner Glacier is delusional: the climate change is within reach, evident in the piteous rest of grey, old snow.

Ich warte ein bisschen auf gute Gesellschaft und gehe dann doch langsam weiter. Inzwischen sind wir auf knapp unter 3.000m Höhe und nicht nur ich werde ruhiger und kurzatmig. Das letzte Stück bis zur Treppe und dann zum Gipfel sieht nach einem Katzensprung aus, bis zum Erreichen der Touristenplattform zieht es sich aber ganz schön hin. Um mich herum scheinen auch die übrigen Bergsteiger durch Wasser zu waten: die Bewegungen langsamer, die Atmung konzentriert.
Shortly before the aim, the air is thin and everybody seems to walk under water. Slow movements, concentrated breathing and less chatting mark the last section.

Dann kommen die ersten Seilbahn-Ausflügler in Sicht und ich beiße mir auf die Zunge, um nicht jedem ein „Seht her, ich bin’s hochGELAUFEN!!!“ entgegen zu rufen.
Then, finally, I reach the stairs up to the touristic platform. It is hard to hold back, hard not to shout at everyone: “Look, here I am, WALKING it all up!!”.

Am Gipfelkreuz geht’s dann zu wie am Stachus unter Betrunkenen: Schwankende Menschen, die sich mit entgleisten Gesichtszügen an der Seilversicherung festklammern. Unpassendes Schuhwerk, Höhenangst, im-Weg-Rumstehen, seltsames Gebaren. Ich stelle mich auf ein etwas ausgesetztes Stück Fels am äußeren Rand und warte auf meinen Wanderbuddy. Ohne Jack wäre ich jetzt nicht hier, und auf gar keinen Fall verlasse ich das Gipfelkreuz ohne gemeinsames Foto!
I heard stories about stupid people, lost in the fear of heights, but still running for a picture on Germany’s highest peak. Fortunately, I am full of endorphins and joy, all practicing tolerance while standing on the edge of the cliff until Jack reaches our common destination.

Natürlich ist auch er kurz darauf angekommen – jeder in seinem Tempo, das war so ausgemacht. Zum Glück hat die Menschenkette am Gipfel-Weg schon die Botschaft übertragen, dass ich oben auf ihn warte. Muss lustig sein, wenn man an einem der Randpunkte (hier: dem vertikalen) des Landes von fremden Menschen angesprochen wird.
The constant queue on the last meters works like a grapevine: I tell one and one tells to another about the guy I wait for. Not before long, Jack gets amused when a total stranger talks to him, pointing out that there is somebody waiting for him at the golden cross.

Am Ende ist alles easy: Das Klettersteigset und alle übrigen doppelten Böden blieben im Rucksack. Nur die warme Jacke, die hab ich ganz oben gebraucht, als die Wolken zuzogen und der Wind bissig wurde. Mit ausreichend Pufferzeit nehmen wir eine der Gondeln nach unten, zurück zu Hector und dem Eibsee.
After all, it has been a piece of cake. No, that is not true…
But it has been all easy: none of my rescue items have been needed. We reach one of the last gondolas easily. The weather was stable, we made it in time and we have something to remember – the full story behind our successful ascent to the Zugspitze!

Innerlich schwebe ich noch lange vor mich hin und zehre von dieser traumhaften Bergtour. Wer hätte gedacht, dass ich dieses Jahr mit viel Spontaneität und wenig Vorbereitung “mal eben” auf die Zugspitze gehe?
Geholfen hat, wie immer, eine Vision: Tage und Wochen sah ich Jack und mich am Gipfelkreuz jubeln – zuerst vor meinem geistigen Auge, später dann durch die Kameralinse.
I have taken the tour and the 1.400m for serious, the same is true for the sheer height of 2.962m. This being said and done, I might go for even more interesting tours in the future. For today, I am happy with the hike of the year and the story to tell.
1.450 m altit. difference | 6-7 km | < 5 h | challenging |