Eine Woche an einem Fleck? Nicht mal am Meer?? Oh je, ich bin nur noch einen Wimpernschlag vom Dauercamping entfernt…?! Das und weitere Grübeleien wabern während der Anreise durch meinen Kopf. Skepsis ist das eine, Ankunft und erste Eindrücke das andere: Vorweg muss an dieser Stelle unbedingt festgestellt werden, dass vieles hier ganz toll ist – ich aber nicht unbedingt der Zielgruppe entspreche. Die Werbeabteilung jedenfalls, die hat es hier richtig drauf: Beworben wird der Campingplatz „Schlosshof / Meran“, der rd. 10 km vor Meran in Lana liegt, idyllisch eingebettet zwischen Gewerbegebiet, Obstbäumen und Strommasten. Der vollmundige Name leitet sich nicht von einem Schloss her sondern resultiert daraus, dass das Grundstück vor zwei Generationen von einem ehemaligen Schlossherrn abgekauft wurde. Die Stellplätze sind relativ dicht und akkurat aufgereiht, die Sauna ab der 2. Person restlos überfüllt und die „olympischen Ausmaße“ des Indoor-Pools lassen mich tagelang darüber grübeln, ob es schon mal eine Kurzbahn-Olympiade auf max. 18m Länge gegeben hat. Das waren jetzt so ziemlich alle negativen Aspekte, ab hier wird gelobt: Die Sanitäranlagen sind schick und neu und bessere sind mir noch nirgends begegnet. Die Pools (innen und außen) taugen sowohl für Bikini-Nabelschau als auch für sportliche Bewegung, wobei beides als Provokation für die umliegenden Rentner nebst Gattinnen verstanden werden darf.
Vor allem reizt mich aber die Gegend, die mit unzähligen alten Burgen und Schlössern, Bergen in jeder Ausprägung und einem dichten Netz aus Wanderwegen, Radrouten und Seilbahnen viel zu bieten hat. Von Kultur, k.u.k.-Kurcharme und gutem Wein ganz zu schweigen.
Zum Glück ist auf regenreiche Wetter-Apps wenig Verlass: trocken und sonnig pumpe ich Luft in die Reifen meines leicht angestaubten Mountainbikes und breche auf in die umliegenden Berge. Von Lana über das Flüsschen Falschauer geht es zunächst nach Tscherms und von dort aus stetig bergan, vorbei am Baslan-Haus und hoch zum Schloss Lebenberg. Rechts und links des nahezu autofreien Asphalt-Sträßchens wechseln sich Weinberge und Apfelbaumplantagen ab, es riecht nach Flieder und Frühling und trotz der Aussicht auf schneebedeckte Berge wird mir immer wärmer.
Obwohl mein Fahrrad die meiste Last tragen muss, bin ich es, die ziemlich verschwitzt am Schloss ankommt. Es werden zwar lohnenswerte Führungen angeboten (Freskenmalereien, Waffenkammer, alte Gemäuer), die Wartezeit von 45 min. bis zur nächsten Führung ist mir aber zu lang. Ohne es zu wissen lege ich in diesem Moment das Motto dieses Urlaubs fest: Schlösser und Burgen in rauen Mengen, aber nur von außen!
Anziehender wirken dagegen die Hinweisschilder auf den Haidenhof, flankiert von Messer und Gabel und somit genau das Richtige zur Mittagszeit. Nur eine Biegung oberhalb von Schloss Lebenberg führt die Straße quasi direkt in den Garten des Weingutes / Wirtshauses: auf satt grünem Gras stehen Tische, Bänke und Liegestühle und laden ein, den Blick über das Tal bei Tiroler Küche und Omas liebevoller Bewirtung zu genießen. Es muss am benebelnden Blütenduft liegen, dass ich mich plötzlich ein Glas Sauvignon bestellen höre. Kaum steht das kühle Glas fruchtig-duftend vor mir, bin ich trotz erster Zweifel mit der Entscheidung versöhnt: Urlaub ist zum Genießen da! Außerdem tut ein wenig Erholung sicher gut, denn zu meinem großen Erstaunen sind weder regelmäßiges Schwimmen noch unregelmäßiges Yoga besonders geeignet als Vorbereitung für bergauf-Mountainbike-Touren.
Tag 2 ähnelt in Sachen Wetter-App dem vorhergehenden: von Regen keine Spur! Also erneut in den Sattel und den Radweg nach Meran auskundschaften. An einigen Stellen ist die Beschilderung unerwartet dürftig, aber nach spätestens 45 min. ist man am Ziel. Ob Edel-Hengst oder Drahtesel, wer an ein oder zwei Stellen falsch abbiegt verfährt sich zwar nicht völlig, darf aber fast die gesamte Galopp-Rennbahn umrunden – immerhin zählt sie zu den schönsten weltweit, wenn auch wohl nur von innen betrachtet.
Im Zentrum von Meran parke ich schließlich das Fahrrad gegenüber des Teatro Puccini und begegne lauter sportlichen Menschen, die am heutigen Halbmarathon teilnehmen. Beim Zusehen komme ich mir auf einmal ganz lahm und pummelig vor und nehme konsequent den Sessellift (statt Wanderweg), der mich in Richtung Dorf Tirol trägt. Dass der bärige Liftwärter gern mit blonden Damen flirtet, gibt’s als Zugabe zum 4,50€-Ticket obendrauf. Oben angekommen lerne ich, dass es noch lange nicht „oben“ ist: 20 min. lang spiele ich den Vorteil der Jugend gekonnt aus und überhole diverse Reisegruppen. Als Belohnung gibt es ein touristisch-uriges Ortszentrum und den Blick auf Schloss Tirol und die Brunnenburg. Schloss Tirol wurde ursprünglich im 12. Jahrhundert von den Vinschgauer Grafen erbaut, die sich im schwelenden Machtkampf mit rivalisierenden Adelsgeschlechtern als „Grafen von Tirol“ bezeichneten und somit der gesamten Gegend ihren Namen gaben.
Zurück im Talkessel von Meran, ergänze ich die Liste der von außen betrachteten Schlösser um die Landesfürstliche Burg, die seit dem 15. Jahrhundert den Herren von Tirol als Stadtsitz diente.
Ich lasse mich weiter durch die alten Straßen treiben und stromere durch die Arkaden der Laubengasse zum alten Stadtviertel Steinach. Unterwegs werfe ich noch einen Blick in die Stadtpfarrkirche St. Nikolaus und stehe plötzlich vor dem gestern erst eröffneten Stadtmuseum im Palais Mamming.
Aufgrund der Neueröffnung lockt freier Eintritt für alle Altersklassen und so erkunde ich staunend das Sammelsurium der Meraner Geschichte. Von urzeitlichen Minheren über die Bedeutung von Tod und Religion bis hin zu altem Stuck und mittelalten Gemälden ist alles dabei. Besonders schön sind natürlich die Pin-Up-Bilder aus der Kur-Ära der Stadt um 1900 herum.
Nach Begutachtung der alten Postbrücke, die malerisch die rauschende Passer überspannt, wandele ich möglichst stilvoll durch die Wandelhallen entlang der Winterpromenade. Als ich in der Jugendstil-Kulisse einen Cappucino bestelle wundere ich mich, dass die Preise (2,40€) trotz allem Prunk deutlich unter Münchner Niveau liegen.
Immer wieder fallen mir Plakate auf, die mit Kultur-as-Kultur-can aufwarten: Lesungen, Theater, Blütentage, Sportereignisse, Musikfeste und wahrscheinlich auch Bingo-Abende für die Reisegruppen lassen erahnen, dass man in Meran mehr als nur ein oder zwei Tage zubringen kann, ohne sich vor Langeweile einen Kurschatten anlachen zu müssen. Wie gut, dass mich mein Rück-Umweg an einem wenig schicken, aber sehr zentralen Campingplatz („Camping Tennis“) vorbei führt, da komme ich ein ander mal gern wieder um mich in das Kultur- und Nachtleben zu stürzen.
Der nächste Tag bringt Ruhe und Nieselregen mit sich und ich freue mich einmal mehr über Hectors Lounge-Sofa. Außerdem komme ich endlich dazu, den zerlegten Wasserhahn-Duschkopf im Badezimmer zusammen zu setzen, der bei der letzt-herbstlichen Wassersystem-Prüfung zerlegt worden war. Es endet erfolgreich damit, dass ich für Donnerstag einen Termin bei meinem Schrauber ausmache, der kann so was einfach besser als ich. Für das besser werdende Wetter ab Dienstag plane ich die „schönsten Gärten Italiens“ und noch eine richtige Mountainbike-Tour am Vigil-Joch. Ob das alles auch so kommt, werden wir sehen…